
Leitfaden für Onlinehändler: Risiken, Worst-Case-Szenarien und konkrete Schutzmaßnahmen.
Ein „Missing Trader“ ist ein Unternehmen, das gezielt gegründet wird, um Umsatzsteuer zu hinterziehen. Das System läuft nach einem einfachen, aber perfiden Muster: Erstens verkauft das Unternehmen Waren mit ausgewiesener Umsatzsteuer. Zweitens kassiert es den Bruttobetrag, führt die Umsatzsteuer aber nicht ans Finanzamt ab. Drittens verschwindet die Firma nach kurzer Zeit – sie wird also „missing“.
Die Hintermänner gründen häufig mehrere solcher Firmen und bauen komplexe Lieferketten auf. Diese Konstruktionen nennt man auch Umsatzsteuerkarussell. Ziel ist, Vorsteuererstattungen abzugreifen, während der Staat leer ausgeht.
Auf den ersten Blick könnte man meinen: „Das ist doch ein Problem zwischen dem Betrüger und dem Finanzamt.“ In der Praxis sieht es anders aus – und genau hier wird es für dich als Händler gefährlich.
Stell dir vor, du kaufst Waren bei einem vermeintlich seriösen Lieferanten. Du erhältst eine ordnungsgemäße Rechnung mit Umsatzsteuer und ziehst diese Vorsteuer in deiner Umsatzsteuervoranmeldung. Alles scheint korrekt.
Monate später stellt sich heraus: Dein Lieferant war ein Missing Trader und hat die Umsatzsteuer nie abgeführt. Die Folge: Das Finanzamt streicht dir den Vorsteuerabzug. Du musst die bereits erstattete Vorsteuer zurückzahlen – und zwar komplett.
Damit nicht genug: Die Behörden prüfen zusätzlich, ob du wusstest oder hättest wissen müssen, dass dein Geschäftspartner Teil eines Umsatzsteuerkarussells ist. Und wenn der Verdacht besteht, dass du zu leichtgläubig gehandelt hast, kann es richtig teuer werden.
Das Umsatzsteuerrecht erlaubt den Vorsteuerabzug nur, wenn der Lieferant die Steuer auch tatsächlich schuldet und abführt. Sobald klar ist, dass dein Lieferant ein Missing Trader ist, wird geprüft, ob du gutgläubig gehandelt hast und deine Sorgfaltspflichten erfüllt wurden – oder ob du hättest merken müssen, dass etwas nicht stimmt.
Kommt das Finanzamt zu dem Schluss, dass du Prüfpflichten verletzt hast, wird der Vorsteuerabzug gestrichen. In Deutschland existieren dafür klare rechtliche Grundlagen, unter anderem die Haftungsregelung des § 25d UStG.
Das Finanzamt verlangt die bereits gezogene Vorsteuer zurück. Beispiel: Du kaufst Waren im Wert von 100.000 € netto, auf der Rechnung stehen 19.000 € Umsatzsteuer. Du hast diese 19.000 € als Vorsteuer gezogen. Verschwindet dein Lieferant, fordert das Finanzamt die 19.000 € zurück – sofort und vollständig.
Nach § 25d UStG kannst du sogar für die Umsatzsteuer deines Lieferanten in Haftung genommen werden. Das heißt: Neben dem Verlust deiner eigenen Vorsteuer zahlst du unter Umständen die Steuer, die der Missing Trader nie abgeführt hat.
Die Steuerfahndung sieht in solchen Konstellationen schnell den Verdacht einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung. Selbst wenn du „nur“ fahrlässig gehandelt hast, können Ermittlungen gegen dich persönlich eingeleitet werden – mit allen Konsequenzen wie Vernehmungen, Durchsuchungen und Verteidigerkosten.
Verletzt du Sorgfaltspflichten, droht die persönliche Haftung – insbesondere als Geschäftsführer einer GmbH. Wer Organisations- und Aufsichtspflichten missachtet, riskiert privaten Schaden.
Wirst du mit Karussellgeschäften in Verbindung gebracht, leidet dein Ruf – auch wenn du Opfer bist. Gleichzeitig belasten Rückforderungen deine Liquidität massiv. Für manche Händler bedeutet das das Aus.
Prüfe jeden neuen Geschäftspartner gründlich: Handelsregisterauszug anfordern, USt-IdNr. über VIES/MIAS abfragen (und die Bestätigung archivieren), prüfen, ob die USt-ID zur Firma passt, Bonitätsauskunft einholen (z. B. Creditreform/Schufa) und eine saubere Online-Recherche durchführen (Website, Adresse, Ansprechpartner, Impressum, Telefon).
Besondere Vorsicht bei: extrem niedrigen Preisen, Briefkastenadressen, fehlender Erreichbarkeit, unüblichen Zahlungsbedingungen (nur Vorkasse, ausländische Bankkonten) und fehlenden Herkunftsnachweisen.
Lege für jeden Lieferanten eine Akte an – digital oder physisch. Enthalten sein sollten: Handelsregisterauszüge, USt-ID-Abfragen (Screenshot oder PDF), Bonitätsberichte, Korrespondenz sowie Notizen zu Auffälligkeiten und deren Klärung. Nur mit lückenloser Dokumentation kannst du im Ernstfall deine Gutgläubigkeit belegen.
Prüfe regelmäßig, nicht nur zu Beginn: Ist die USt-ID noch gültig? Haben sich Bankverbindungen, Adresse oder Ansprechpartner geändert? Gibt es plötzlich massive Preisänderungen? Stimmen Rechnungsangaben mit Stammdaten überein?
Gerade im internationalen E-Commerce sind die Risiken hoch. Ein erfahrener Steuerberater prüft Prozesse, identifiziert typische Fallstricke und hilft, eine belastbare Dokumentation aufzubauen – inklusive klarer Zuständigkeiten im Team.
Das Risiko durch einen Missing Trader ist real – und kann dich als Händler teuer zu stehen kommen. Schon ein einziger unseriöser Lieferant kann dich Zehntausende Euro kosten und dich in rechtliche Schwierigkeiten bringen. Leider ist oftmals das Problem: Missing Trader treten durchaus seriös aus. Das Produkt ist attraktiv, die Marge gut, aber auch nicht übertrieben gut.
Aber: Mit einem klaren Prüfprozess und lückenloser Dokumentation kannst du dich wirksam schützen. Frage dich bei jedem Deal: Kenne ich meinen Lieferanten wirklich? Sind die Preise plausibel? Habe ich meine Prüfungen sauber dokumentiert? Wenn ja, reduzierst du dein Risiko erheblich und schützt dein Geschäft nachhaltig.
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